Aufruf zur Demonstration in Leipzig am 23.10
Wir werden angegriffen. Von einem Staat, der die Kontrolle bewahren will. Von Bullen und Staatsanwaltschaften, die in Kämpfen gegen Unterdrückung und Ausbeutung Terrorismus und Kriminalität sehen. Wir werden als Bewegung angegriffen: es gibt Hausdurchsuchungen, Observationen, Gefangene und Prozesse. Und es werden kriminelle Vereinigungen, Gefahrengebiete und Gefährdungslagen erfunden. Die Frage ist Warum: Warum werden Klimabewegungen im Dannenröder Wald oder erst kürzlich bei den Protesten gegen die IAA in München gewaltsam bekämpft? Warum werden Antifaschist*innen kriminalisiert, während die Polizei ein Haufen von Nazis und Rassisten ist? Warum wird versucht, diejenigen einzuschüchtern, zu verurteilen und einzusperren, die Unterdrückung und Ausbeutung infragestellen?
Für diese Fragen lohnt sich eine größere, wenn auch abstrakte, Einordnung, mit was für Verhältnissen wir es zu tun haben:
In den letzten Jahren tritt für uns immer deutlicher die Krise des globalen Neoliberalismus mit all seinen Verwerfungen zu Tage. Spätestens seit der Finanzkrise 2008 wird deutlich, dass die Lösung der Herrschenden eine autoritäre Restauration der globalen Macht- und Ausbeutungsverhältnisse ist.
Die aufkommenden sozialen Bewegungen werden bekämpft und die Interessen des Kapitals werden rigoros durchgesetzt. Und jetzt, im Laufe der Corona-Pandemie entwickelt sich diese Politik noch deutlicher. Die Möglichkeiten für Proteste und das Entstehen von Widerstand sind kleiner geworden. Es ist unübersehbar, wer unter der ungleichen Verteilung von Ressourcen leidet und wem eine solche Pandemie in die Hände spielt. Im Zuge der autoritären Restauration des Systems erleben wir ein Erstarken von faschistischen Kräften in Staat und Gesellschaft und das Aufkeimen von autoritären Regierungen bis hin zu faschistischen Regimen. Es werden Gesetze verschärft, Polizei und Armeen aufgerüstet und es wird Propaganda betrieben gegen alle die sich nicht anpassen wollen und/oder als anders markiert werden. Grenzen sind zu mörderischen, rassistischen Festungen geworden. Und die Waffen aus der Rüstungsindustrie von Staaten wie Deutschland finden sich überall da, wo es Exportpartnern darum geht Bevölkerungsgruppen zu unterdrücken und Kriege zu führen.
Gleichzeitig horten FaschistInnen Munition, bilden Strukturen um im Falle eines Umsturzes politische Gegner*innen zu liquidieren und verüben Anschläge wie in Kassel, Hanau und Halle.
Nicht zufällig ist eine hohe Zahl von Staatsbediensteten an solchen Netzwerken beteiligt, welche wenn nicht staatlich protegiert so doch zumindest geduldet werden.
Doch trotz alledem wenden sich überall auf der Welt gesellschaftliche Bewegungen gegen diese Misere. Sie kämpfen für bezahlbaren Wohnraum, Bildung, Menschenrechte und Würde. Sie kämpfen gegen Faschismus, Ausbeutung, Sexismus, Rassismus und einen Staat der all dies hervorbringt und absichert. Ob im Senegal, in Kurdistan, in den USA, in Kolumbien, in Chile oder Myanmar: über politische und kulturelle Unterschiede hinweg gibt es diese Gemeinsamkeiten im Kampf denn die Unterdrückung des neoliberalen Kapitalismus ist global, also ist es der Widerstand auch!
In diesem Kontext müssen wir auch die verstärkte Repression gegen uns als Linke, Antifaschist*innen und Revolutionär*innen begreifen: in Zeiten von Krisen (die nicht mit dem Ausbruch der Pandemie begonnen haben) verstärken die Staaten ihre Angriffe auf linke politische Inhalte und Bewegungen, um ihre Herrschaft nach innen abzusichern. Offensichtlich wird das unter anderem bei den Strukturverfahren nach §§ 129 a/b. Die weitreichenden Ermittlungsbefugnisse erlauben den Behörden die Nutzung aller Möglichkeiten der Durchleuchtung und Überwachung. So wollen sie uns einschüchtern, Angst machen und voneinander isolieren. Gerade der Kriminalitäts- und Terrorismusdiskurs bildet gesamtgesellschaftlich, aber auch innerhalb der Bewegungen, die Grundlage, politische Inhalte und Positionen zu diffamieren. Es gibt keine objektive Strafverfolgung, Repression ist immer politisch und ideologisch. Je mehr sich die Krise des Systems zuspitzt, desto mehr Menschen werden davon betroffen sein, ein Blick in Länder wie Brasilien oder die Türkei sollten das bestätigen. Zudem findet die Verfolgung nicht nur innerhalb der einzelnen Staaten statt. Sie ist international: Die Datenbanken von EU-Polizeibehörden und Geheimdiensten werden ausgebaut. Die BRD macht sich mitschuldig an der Stärkung eines Faschismus unter der türkischen AKP/MHP Regierung indem sie hier mit § 129 b Verfahren gegen kurdische und türkische Linke vorgeht.
Das Wort Terrorismus ist ein Instrument, dass dazu dient, politische Positionen aus dem gesellschaftlichen Diskurs zu drängen. Zudem ist es ein Sammelbegriff für das, was jenseits eines staatlichen Gewaltmonopols passiert. Rassistische Morde, der Daesh und linke Militanz können so in einen Topf geworfen werden. Das konstruierte „gute“ und „legitime“ Gegenteil soll eine bürgerlich-liberale Mitte darstellen. So entweicht der Diskurs der Frage, worin die Unterschiede zwischen verschiedenen Formen von Gewalt bestehen. Dass rassistische und patriarchale Gewalt etwas anderes ist, als ein militanter Antifaschismus. Und dass auch staatliche, durch Gesetze und Normen legitimierte Gewalt ungerecht ist, da sie Verhältnisse schützt, die Ausbeutung von Vielen für den Wohlstand von Wenigen bedeuten.
Wie kann also unsere Antwort darauf aussehen?
Wichtig ist, das wir uns nicht spalten lassen anhand von den Kategorien von Polizei und Justiz wie Schuld/Unschuld, friedlich/unfriedlich oder Terrorismus bzw. Kriminalität/Protest. Es ist klar das wir eigene Begriffe davon haben. Es gilt die Angriffe auf uns richtig zu verstehen, warum passieren sie, warum vielleicht gerade jetzt und darauf unser Handeln aufzubauen. Wir müssen versuchen die Verbindungen zueinander trotz oder gerade wegen unserer politischen Differenzen auszubauen und Möglichkeiten der Zusammenarbeit entwickeln. In unserem Kampf ist es deshalb wichtig schon ein besseres Morgen vorwegzunehmen, aufeinander aufzupassen und uns weiterzuentwickeln. Das gibt uns die Kraft die wir brauchen und gleichzeitig die Haltung die notwendig ist um auf Menschen zuzugehen und Bündnisse zu schmieden. Wir müssen innerhalb der Bewegung die Kraft entwickeln, Repression kollektiv zu bewältigen und gleichzeitig die Unterstützung für unser Handeln zu verbreitern. Lasst uns unsere Inhalte offensiv auf die Straße tragen und in der Gesellschaft verbreiten! Unterstützen wir die Betroffenen von Repression mit Veranstaltungen, Aktionen und Spenden! Lassen wir die Gefangenen nicht allein!
Es liegt an uns, linke Politik zu verteidigen.
Freiheit für Lina, Ella, Dy und alle politischen Gefangenen!
Deshalb: auf zur Tat in unserem (politischen) Alltag und am 23.10. in Leipzig!
Alle zusammen – autonom, widerständig, unversöhnlich!